Polyamorie ist gerade in aller Munde und wird häufig mit Sex mit vielen verschiedenen Partner/innen verwechselt. Neulich kam ich zufällig mit einem Ehepaar ins Gespräch, an dem ich Sie gerne teilhaben lassen möchte.
Luisa und Leon sind jetzt beide 55 Jahre alt und haben sich mit 23 Jahren kennengelernt. Das war so eine „BÄM“ Begegnung – gesehen und zack verliebt. Schmetterlinge all over.
Mit dem ersten Sex haben sie sich lange Zeit gelassen. Wie sie mir erzählten, waren sie viel zu jung, viel zu verliebt und hatten viel zu viel Angst, verfrühter Sex könnte ihre Beziehung stören.
Was für ein schönes, zartes, sanftmütiges Bild. Den Sex warten lassen, um Annäherung Raum zu geben. Ein Ansatz, der vielleicht auch in unserer getriebenen Zeit etwas Sanftmut und Erleichterung verbreiten könnte.
Doch keine Sorge, der Sex kam dann natürlich auch für die beiden. Nach 4 Jahren haben sie sich getrennt. Wieso denn das ? Sie seien zu jung, um sich so fest zu binden, zu jung, um etwas zu versäumen – glaubten sie.
Leon ging für 6 Monate ins Ausland. Während dieser Zeit hatten sie keinerlei Kontakt zueinander. Nach seiner Rückkehr nach Berlin schaut Leon eines Tages zu dem Auto, das rechts neben ihm in die gleiche Richtung fuhr und blickte in Luisas Gesicht. Von diesem Moment an waren sie wieder ein Paar. Und es folgen noch zwei weitere Trennungen. Dann aber, sie waren nun beide 30 Jahre alt, zogen sie zusammen und liebten sich 15 Jahre lang in einer monogamen Beziehung mit richtig gutem Sex.
Doch die Geschichte geht weiter.
Ende der neunziger Jahre heiraten die beiden. Luisa machte Leon den Antrag. Nun könnte man meinen, dies sei die Krönung ihrer Liebe. Doch weit gefehlt. Der Kinderwunsch ließ sich nicht auf natürlichem Wege erfüllen und die künstliche Befruchtung wurde nur verheirateten Paaren von der Krankenkasse finanziert. Der Kinderwunsch erfüllte sich trotz allem leider nicht. So gründeten sie eine gemeinsame Firma.
Auf einer Reise in die Toskana äußerte Luisa den Gedanken, wie schön es wäre wieder einmal Schmetterlinge im Bauch zu fühlen. Leon stimmte ihr zu, was Luisa zunächst schockierte. Doch ihr beiderseitiges Gefühl der Bindung gab ihnen die Kraft und Freiheit eine/n weitere/n Partner/in in ihre Beziehung treten zu lassen. Luisa war die Erste, und das auch gleich mit schlechtem Gewissen. Leon folgte mit einer deutlich jüngeren Frau, was Luisa wiederum nicht gut fand. Empfindungen wie Eifersucht und schlechtes Gewissen tauchten auf und wechselten sich ab. Doch Luisa und Leon sprechen offen über alles, setzen Grenzen und entschieden gemeinsam. Bis heute.
Ich denke mittlerweile befinden sie sich auf dem Weg in die Polyamorie. Sie haben beide noch zwei Partner/innen, teilweise Sexpartner/innen, teilweise rein platonische Partner/innen. Diese wissen alle voneinander, allerdings persönlich kennengelernt haben sie sich nicht. Und Luisa und Leon haben seit ein paar Jahren keinen Sex mehr miteinander. Wie sagten sie so schön: wir haben uns mit gutem und schönen Sex ausgesext.
Mir stellt sich die Frage, was passiert, wenn sich einer von beiden richtig verliebt? Ich bin gespannt auf diesen Moment. Wird ihre Liebe diese Situation dann auch noch tragen können? Oder aber werden sie eines Tages wieder zu der klassischen monogamen Beziehung zurückkehren?
Ich hoffe, sie lassen es mich wissen.
Zum Schluss sagt Luisa „Leon ist mein Lebensmensch“. Gibt es etwas Schöneres, als in diesem Moment seinen Blick in ihre Augen zu sehen?
Dieses Paar hatte immer ein Gefühl der tiefen Bindung und Verbindung. Sie haben sich die Freiheit gegeben andere Partner/innen zu suchen. Sie finden sich beide toll, gegenseitig. Und sie haben von Anfang an immer gemacht was sie wollten. Sei es 15 Jahre monogam zu leben, sei es zurzeit auch mit anderen Partner/innen Zeit zu verbringen.
Der Schlüssel zum Erfolg für diese besondere Beziehung scheint zu sein,
das Luisa und Leon immer miteinander über ihre Gefühle gesprochen haben, immer ehrlich zueinander waren. Das war sicher nicht immer einfach.
Aber es war hilfreich.
Fragen an die Sexberatung
Was ist denn nun besser? Monogamie oder Polyamorie?
Es gibt kein besser oder schlechter.
Wichtig ist, dass die beteiligten Partner/innen es immer aus freien Stücken heraus entscheiden und leben und nicht um irgendjemand zu gefallen oder aus der Angst heraus verlassen zu werden oder- oder oder.
Wer sich nicht bewusst für A oder B entscheidet, wird weder Zufriedenheit noch eine gute Beziehung finden. Werden Sie sich über ihre eigenen Wünsche, Erwartungen an Sex und die Beziehung zu einem Partner, zu einer Partnerin, bewusst. Sprechen Sie gegebenenfalls mit einer ihr vertrauten Bezugsperson. Das kann, muss aber nicht, die beste Freundin/der beste Freund sein.
Wichtig sowohl in polyamoren Beziehungen, wie auch in monogamen Beziehungen sind Ehrlichkeit, Vertrauen,gegenseitige Unterstützung und das gemeinsame Definieren von Entscheidungen, Vereinbarungen und auch Grenzen.